WER WOHNT DA EIGENTLICH IN MEINEM DARM?

 

Heute nehmen wir das Mikrobiom mal unter die Lupe. Schließlich hast du zahlreiche Mitbewohner in deinem Körper. Höchste Zeit, dass die sich mal ordentlich vorstellen. Man weiss ja gerne, mit dem man es zu tun hat, oder?

Das Mikrobiom (also die Summe all deiner Darmbakterien) ist das wohl größte Ökosystem, das es gibt. Es beheimatet mehr Bakterien als es Sterne am Himmel gibt. Holy Maccaroni! Es handelt sich um eine ultragalaktisch große Zahl von 100.000.000.000 Darmmikroorganismen, die ausgeschrieben irrwitzig aussieht. Weil unsere kleinen Darmbewohner jedoch so unfassbar winzig sind, können sie sich in unserem Darm ohne Probleme in Massen tummeln. Dabei machen sie 2 Kilo unseres Körpergewichts aus. 

Wer jetzt denkt: „Oh, das sind doch zwei Kilo, die ich super abnehmen könnte!“, der irrt. Denn ohne die kleinen Dinger, würden wir nicht leichter, sondern vermutlich sehr viel schwerer werden und jede Menge Fett ansetzen. Und zu dem noch ziemlich krank werden. (Doch dazu später mehr.) 

Der persönliche Hotspot unserer kleinen Untermieter ist eindeutig der Dickdarm. 95% aller Mikroben wohnen dort kostenlos zur Miete und drängen sich eng an eng, wie im angesagtesten Club der Stadt! Wer als VIB – very important bakterium – gilt und damit den Ton angibt, hängt wie im normalen Leben von den Eigenschaften der einzelnen Mikroben ab. Die besonders Durchsetzungsstarken haben die Nase vorne und können das Zepter über den Körper übernehmen. Übernehmen die guten Darmbakterien die Oberhand, geht es uns gut. Sind jedoch die Schlechten am Zug, kann dies zu jeder Menge Beschwerden führen. Oder – um in unserer Nightlife-Analogie zu bleiben – zu einen fiesen Kater für unser Immunsystem.

Doch welche Mikroben wohnen überhaupt in uns? Und welche sind gut für mich? Welche nicht? Welche Bakterien beeinflussen mein Gewicht positiv, welche hingegen lassen mich dick werden? Schauen wir uns die Sache doch einmal genauer an. 

Die Forschung geht von bis zu 1000 verschiedenen Bakterien aus, die unseren Darm besiedeln können. In unserer westlichen Welt ist der Nährboden für all diese Bakterien jedoch beschränkt.  Durch besondere Reinlichkeit, Umweltbelastungen, zunehmenden Stress im Alltag, Antibiotikatherapien bei Krankheiten, antibiotikaangereichterem Tierfutter, vermehrte Kaiserschnitt-Geburten und nicht zu letzt einer tendenziell zu ballaststoffarmen und zu zuckerhaltigen Ernährung, geht man davon aus, das es nur rund 160 Mikrobenarten schaffen im Darm sesshaft zu werden. 

Die Forschung hat gezeigt, dass eine maximale Bakterienvielfalt für unsere Gesundheit wünschenswert ist. Die Entwicklungen in unserer westlichen Welt bewegen sich jedoch in die gegenteilige Richtung. Glücklicherweise können wir aktiv etwas für Artenvielfalt in unserer Darm-WG tun. Wir sind der Situation also nicht hilflos ausgeliefert. Ernährung, Stressreduktion, Probiotika und Darmkuren können uns wieder zu einer guten Balance im Darm verhelfen und die guten Bakterienstämme, die uns gesund, schlank und glücklich machen, bei ihrer Vermehrung unterstützen. 

Foto von ArtHouse Studio von Pexels

Foto von ArtHouse Studio von Pexels

Doch wer ist eigentlich gut zu uns und wer nicht? 

Die Bakterien lassen sich in drei Großfamilien unterteilen. Doch wie das bei Großfamilien so ist, sind hier zwar alle miteinander verwandt aber doch jeder für sich oft sehr unterschiedlich. Die einzelnen Bakterien innerhalb der „Familia“ können daher ganz verschiedene Eigenschaften aufweisen. Aus diesem Grund kann man auch nicht pauschalisieren und sagen, diese Darmbakterienfamilie ist durchweg gut und die andere durchweg schlecht. Jedoch hat sich herauskristallisiert, dass einzelne Gruppen mehr wohltunenden und andere weniger gesundheitsförderliche Bakterien aufweisen. 

Grundsätzlich gilt, jedes Bakterium hat seine Daseinsberechtigung, selbst die vermeintlich Schlechten können uns hin und wieder nützlich sein. Wichtig ist nur, dass die Bakterien in einem gesunden und guten Verhältnis zueinander vorhanden sind. 

The Gangs of Gut-City!

Here we go! Kommen wir nun zu den drei Großfamilien, die in unserem Darm um die Vorherrschaft kämpfen! 

1) La Familia „Bacteroides“

„Ciao, ragazzi! Isse schön, disch kennezulernen! Wir sind deine Amigos. Denn wir sorgen dafür, dass du bleibste schön schlanke! Bellisima oder? “ So oder so ähnlich würde sich wohl die Familie der Bacteroides vorstellen. Denn sie sind wahre Schlankmacher. Der Grund dafür ist, das sie super faul sind. Hä? Ja richtig gehört. 

Die Bakterien dieser Familie sind etwas luschig unterwegs, wenn es um die Verwertung von Nahrungsresten geht. Wenn wir viele dieser Bakterien im Darm haben, verdauen wir die Nahrung weniger gründlich und scheiden ca. 10 Prozent der aufgenommenen Kalorien wieder aus. Essen landet somit weniger schnell auf den Hüften. Erfreulich oder?

Noch erfreulicher ist, dass die Bacteroides-Gang beim Verdauungsprozess Substanzen bildet, die nachweislich die Fettspeicherung hemmen. Zudem sendet die kleinen Freunde Botenstoffe aus, die geradewegs zu unserem Gehirn marschieren und das Signal zur Sättigung geben. Sie helfen uns somit schneller satt zu werden. 

Studien haben gezeigt, dass es für uns gut ist, wenn die Bacteroides die Anführer im Darm sind. Schlanke Menschen weisen oft bis zu 90% dieser Bakterien im Darm auf und nur 10% der dickmachenden Firmicutes Bakterien, zu denen wir auch gleich noch kommen. 

2) Die „Akkermansia munciniphila“ Gang

Der Name ist nicht nur sehr speziell. Auch ihre kulinarische Vorliebe. Denn diese Bakterien lieben Schleim. Viel mehr noch sie leben dort. Sie aktivieren im Schleim der Darmzellen Gene, die die Fettverbrennung steigern. Sie sind sozusagen echte Fatburner-Bakterien. Dies machen sie übrigens in dem sie alten Schleim auffuttern und so die Becherzellen dazu anregen neuen Schleim zu produzieren. So sorgen sie für eine starke und intakte Darmbarriere, die extrem wichtig für unser Immunsystem ist. Ohne sie könnten schädliche Substanzen oder Essenspartikel in den Blutkreislauf gelangen und Entzündungen und Immunreaktion auslösen.

So sehr wie die Akkermansia Schleim lieben, genauso sehr hassen sie fettes Essen. Eine fettreiche Ernährung kann den Bakterien schnell den Lebenswillen rauben und sie umbringen. Und dies hat weitreichende Folgen für unser Immunsystem, denn ohne sie, können Schädigungen der Darmbarriere leichter entstehen und unser Darm kann löchrig werden, dann ist vom Leary-Gut Syndrom die Rede, dass für viele Krankheiten von chronischen Darmerkrankungen bis Alzheimer verantwortlich gemacht wird.

3) Die Bifido-Crew

Diese Crew ist von der ersten Stunde an an unserer Seite. Mit unserer Geburt und dem ersten Stillen an der Brust unserer Mutter gelangt die Super-Crew in unseren Darm und sorgt dafür, das wir besser gedeihen und als Kinder schlank und gesund bleiben. Auch werdenden Müttern tut eine große Anzahl von Bifidobakterien im Darm gut. Denn sie passen auf, dass die Schwangeren nicht so viel an Gewicht während der Schwangerschaft zulegen. 

Doch das tun die wohltätigen Bifidos nur, wenn wir uns auch sie kümmern und sie gut nähren. Sie lieben präbiotische Lebensmittel wie Yacon, Schwarzwurzel, Pastinaken, Artischocken, Chicoree, Spargel und Zwiebeln. Hingegen hassen sie fettes Essen. Eine fettreduzierte Ernährungsweise, bei der in kleinen Mengen vorwiegend ungesättigten Fettsäuren statt gesättigte Fette gegessen werden, tut ihnen gut. Und schützt uns davor, dass die kleinen Schlankmacher in unserem Darm die Biege machen!

4) Die Firmikutes-Bande

Kommen wir nun zu den weniger erfreulichen Gesellen in unserem Darm. Die Firmikutes-Bande sind übermotivierte Futterverwerter. Sie ziehen selbst aus kalorienarmen Lebensmittel jede Menge Energie. Sie können sowohl Fette, wie auch Eiweiße und Kohlenhydrate abbauen. (Diese kommen aber meist nur selten in unserem Dickdarm an, da sie im Dünndarm verwertet werden.) 

Auch extrem schwer verdauliche Bestandteile wie Zellulose, das zur Papierherstellung verwendet wird, ist vor den Firmikutes Bakterien nicht sicher. Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann schreibt in Ihrem Buch „Schlank mit Darm“ dazu: „Wer viele Hüftgoldbakterien im Darm hat, könnte zum Frühstück eine Tageszeitung futtern und würde daraus noch Energie gewinnen.“ Eine absurde Vorstellung, doch wissenschaftlich möglich. Das Tückische an diesen Bakterien ist, dass sie in der Überzahl selbst aus gesundheitsfördernden Ballaststoffe in unserer Nahrung unzählige Kalorien ziehen und so selbst gesundes Essen zu Hüftgoldfutter machen. Ein Apfel verbucht bei einem Menschen, bei denen Firmikutes Bakterien im Darm dominieren plötzlich weit mehr Kalorien als es bei Menschen mit einer Bacteroides Dominanz im Darm. Dies erklärt auch das Phänomen, warum manche Menschen Essen können was sie wollen, während andere schon bei einem Ministückchen Schokolade immer dicker werden. 

Weiterer großer Nachteil, ein Übermaß an Firmikutes im Darm sorgt für eine hohe Bildung von Propionsäure. Eine Fettsäure, die vor allem von den eher schlechten Bakterien im Darm gebildet wird. Die Fettsäure ist in kleinen Menge durchaus nützlich. Sie liefert den Darmzellen Energie um sich regelmäßig zu erneuern, sich zu reparieren und die Darmschleimhaut in Takt zu halten. Wird jedoch zu viel dieser Fettsäure produziert, so wandert sie in die Leber und wir dort zu Körperfett umgebaut. Zudem sorgt zu viel Propionsäure für einen unangenehmen Mundgeruch. Gleich zwei Gründe, die fiese Bande im Darm gezielt in Zaum zu halten. 

5) Die gespaltene Familie – die Lactobazillus Untergruppe

Dass man Bakterienfamilie nicht einfach in Gut und Schlecht einteilen kann, zeigt sich bei den Lactobazillus Bakterien sehr deutlich! Die Milchsäurebakterien, die uns von Joghurt- und Milchprodukt-Herstellern als gesund angepriesen werden, werden aus wissenschaftlicher Sicht der Dickmacher-Bakterien-Familie Firmikutes zu geordnet. 

Diese Bakterien werden gerne in der Tier- und Mastzucht als Nahrungszusatz verwendet, um die Gewichtszunahme von Schweinen und Hühnern zu beschleunigen. Tiere, die mit diesen Bakterien gefüttert werden, sind rund um 10% dicker als ihre natürlich gefütterten Artgenossen. Auch bei Kindern ließ sich dieser Effekt in einem Versuch nachweisen. Kinder, denen mit der Flaschenkost auch Milchsäurebakterien verabreicht bekamen, legten mehr Gewicht zu als jede, denen die Bakterien nicht beigemischt wurden. Jedoch bieten Milchsäurebakterien auch viele gesundheitsförderliche Vorteile. Sie können nachweislich vor der Entstehung von Allergien und Neurodermitis schützen. Ob Milchsäurebakterien gut oder eher schlecht für uns sind, hängt von der individuellen Bakterienart ab. Man sollte sie daher mit bedacht und gezielt verwenden. 

Die nützlichen Milchsäurebakterien im Überblick: 

Der Bakterienstamm „Lactusbazillus rhamnosus GG“ 
schützt vor Neurodermitis und Allergien. Zudem kann er akute Durchfallerkrankungen lindern und das Immunsystem stärken. 

Der Bakterienstamm „Lactusbazillus plantarum“ 
lindert die Beschwerden bei Reizdarmsyndrom und unterstützt Menschen bei der Gewichtsabnahme. 

Der Bakterienstamm „Lactobazillus gasseri“ 
wirkt ebenso wie sein Bruder „plantarum“ positiv bei einer Gewichtsreduktion. 

Nun kennst du deine WG-Bewohner im Darm ganz gut! Damit sie dich bei deiner Gesundheit oder Gewichtsreduktion unterstützen, ist es hilfreich den guten Bakterien unter die Arme zu greifen. So kannst du für eine gutes Verhältnis der Darmbakterien zueinander sorgen. Dies gelingt dir zum einen durch eine darmfreundliche Ernährung, deren Eckpfeiler ich in meiner Happy Gut-Philosophie zusammengeschrieben habe. 

Zusätzlich dazu gibt es noch einige grundsätzliche Tipps für mehr Darmgesundheit, die ich dir in einem weiteren Artikel ausführlich zusammengeschrieben habe! Hier geht zum Artikel.